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Verschwende deine Zeit!

Autor
cw_bergmann

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Verschwende deine Zeit!

Beim Schlafen passiert nichts. Man macht nichts. Man verschwendet seine Lebenszeit. »Schlafen kann ich, wenn ich tot bin.« So oder so ähnlich sehen es viele in der Gesellschaft. Man könnte sogar so weit gehen zu sagen, der Schlaf hat ein Imageproblem. Denn nichts ist in unserer heutigen Zeit so verpönt wie das Nichtstun. Und das nächste Projekt ist auch immer nur das: das nächste Projekt.

Das Problem mit dem Schlaf

Wer nicht schläft, leidet. Während des Schlafens verarbeitet unser Gehirn das Erlebte und schafft neue Kapazitäten. Schlafforscher*innen und Expert*innen empfehlen daher mindestens 7,5 Stunden Schlaf pro Nacht.

In Deutschland erreichen knapp über 50 Prozent diese Marke. Lediglich 36 Prozent schlafen im Durch- schnitt zwischen 4 und 6 Stunden, 6 Prozent sogar weniger als 4 Stunden. 74 Prozent haben Probleme beim Durchschlafen. 63 Prozent haben Probleme beim Einschlafen und sogar 23 Prozent gaben an, an Schlafstörungen zu leiden. Die Folgen sind ernst: Kopfschmerzen, Stress, ein erhöhtes Herzinfarkt- und Diabetesrisiko oder die Beeinträchtigung der psychischen Gesundheit.

Ein zentraler Faktor, der für Schlafprobleme sorgt: das Internet. Immer up to date sein. Immer überall Informationen herbekommen. Immer dabei sein, denn irgendwas geht immer irgendwo. Hierfür gibt es sogar einen Fachbegriff, der es ins Cambridge Dictionary geschafft hat: FOMO – Fear of missing out. Wenn dies auch keine anerkannte Krankheit ist, ist es ein ernstzunehmen- der Einschnitt in die Psyche, der das Wohlbefinden der Betroffenen massiv einschränkt.

Recht auf Faulheit

Ein weiterer Aspekt: die Arbeit. Auch hier ist das Credo gerade in Zeiten von Home-Office und Digital First: Immer erreichbar sein. Was viele Menschen heute nach knapp 30 Monaten Pandemie, einem Krieg an der Türschwelle Europas und angesichts der immer deutlicher auftretenden Folgen des Klimawandels brauchen, ist eine Pause. Doch das gesellschaftliche Stigma der Pause – dem personifizierten Nichtstun – hält viele davon ab. Und was ist mehr Pause als ein 8 Stunden langer Schlaf? Doch wie wichtig Ausruhen, eine Pause und Schlafen sind, ist eigentlich unbestritten. Sich selbst das Recht eingestehen, nichts zu tun, einfach ins Bett zu gehen, wenn man müde ist, die Party früher zu verlassen oder einfach gar nicht erst hinzugehen, weil man eigentlich sowieso keine Lust hat. All das fällt unter Self Care. Und all das führt zu mehr Lebensqualität.

Gerade heute, gerade jetzt sollten wir Schlaf vielleicht nicht allzu stiefmütterlich behandeln. Denn nicht nur für das eigene Wohlbefinden spielt er eine enorm große Rolle. Er ist die Grundlage für alles, was nach dem Aufstehen kommt. Deswegen öfter einfach mal ausruhen. Öfter einfach mal nichts tun. Öfter einfach mal schlafen. Und träumen.

Bereits vor fast 150 Jahren diagnostizierte der Arzt und Journalist Paul Lafargue der Gesellschaft eine sonderbare Erkrankung: die Arbeitssucht. »Die Liebe zur Arbeit, die rasende, bis zur Erschöpfung der Individuen und ihrer Nachkommenschaft gehende Arbeitssucht« lasse den Menschen die wichtigen und schönen Dinge im Leben vergessen und führe dazu, dass »seine Freude und seine Leidenschaften ersticken«. Er verschreibt der Gesellschaft zur Genesung: das Recht auf Faulheit.

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