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Neugierig bleiben!

Autor
Alina Halbe

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Neugierig bleiben!

Lernen erweitert Horizonte und schafft Möglichkeiten – im Beruf, aber auch privat. Selbst im Alter können wir noch Neues lernen. In der Bil- dungswissenschaft heißt das Konzept »Lebenslanges Lernen«. Wir zeigen, warum es sich lohnt, neugierig zu bleiben, aber auch, wann Lernen zur Last wird.

Meine japanische Freundin Junko lernt fleißig Deutsch. Wir haben uns vor einigen Jahren in Hamburg kennengelernt. Seitdem schicken wir uns Postkarten zu Weihnachten und kleine Geschenke zum Geburtstag. Dazwischen verabreden wir uns manchmal zu einem Videocall, um zu hören, was es Neues gibt. Ich kann höchstens fünf Wörter Japanisch, sie kaum Englisch. Wir kommunizieren auf Deutsch. Junko hat erst mit über vierzig mit dem Lernen angefan- gen und beherrscht es mittlerweile richtig gut. Als ich sie einmal frage, warum sie eigentlich eine für sie so fremde Sprache lernt, sagt sie: »Das ist doch aber guter Weg, dass der Kopf nicht langsam wird.« Recht hat sie. Und unseren Austausch macht es ja auch um einiges einfacher.

Lernen hält geistig fit, macht offener und flexibler und fördert je nach Lernformat auch die soziale Interaktion.

Lernen schafft Möglichkeiten und erweitert Horizonte. Und es begleitet uns unser ganzes Leben lang. In der Schule, der Ausbildung oder im Studium eignen wir uns aktiv neues Wissen an, ebenso in Weiterbildungen und Kursen, an denen wir meist aus Interesse teilnehmen. Doch auch das Leben selbst lehrt uns jeden Tag, indem wir beobachten, zuhören, lesen, nachdenken, Dinge ausprobieren und auch mal dabei scheitern. Das alles ist bis ins hohe Alter möglich, weil das Gehirn im Grunde wie ein Muskel funktioniert, der trainiert werden will. Das mag bei älteren Menschen vielleicht etwas mühsamer vonstatten gehen, dafür aber nicht weniger effektiv. Und die Vorteile liegen für Jung und Alt klar auf der Hand: Lernen hält geistig fit, macht offener und flexibler und fördert je nach Lernformat auch die soziale Interaktion. Was viele nicht wissen: Hinter dem Begriff »Lebenslanges Lernen« verbirgt sich tatsächlich ein offizielles Bildungskonzept aus der Pädagogik. Die Europäische Kommission definiert es als »alles Lernen während des gesamten Lebens, das der Verbesserung von Wissen, Qualifikationen und Kompetenzen dient und im Rahmen einer persönlichen, bürgergesellschaftlichen, sozialen, bzw. beschäftigungsbezogenen Perspektive er- folgt«. Weil das also fast jede Art von Lernen einschließt, ist das Konzept Grundlage für viele Kampagnen privater Institutionen, Unternehmen und der Bildungspolitik.

Wissen ermöglicht Teilhabe am gesellschaftlichen Wandel, ermöglicht andere Wege der Kommunikation und des Datenaustauschs.

In Deutschland ist es uns in den letzten Jahren vor allem im Kontext von Technologie und Digitalisierung immer wieder begegnet. Die Welt entwickelt sich rasant weiter, Familienstrukturen, Kaufverhalten und Arbeitsbedingungen haben sich geändert und ändern sich weiter. Wir leben in einer Gesellschaft, in der Globalisierung und Informationstechnologien die Richtung vorgeben. Sicher, das bietet Chancen, stellt die Menschen aber gleichzeitig vor große Herausforderungen. Denn man muss Schritt halten. Wer heute nicht weiß, wie eine Cloud funktioniert, was ein QR-Code ist und wie man die App zum Onlinebanking bedient, wird schnell abgehängt, nicht nur im Beruf. Wissen ermöglicht also auch Teilhabe am gesellschaftlichen Wandel, ermöglicht andere Wege der Kommunikation und des Datenaustauschs. Doch dafür muss man eben lernen, neue Kenntnisse erwerben und an den eigenen Kompetenzen feilen. Weil auch Unternehmen von gut ausgebildeten Mitarbeiter*innen profitieren, bieten viele selbst Fortbildungen an oder unterstützen die Teilnahme an externen Angeboten. Wo das nicht der Fall ist, müssen sich Lernwillige selbst informieren und aus dem Dschungel an Seminaren und Kursen das für sie passende Angebot finden.

Niemand kann jemals alles gelernt haben, wissen und können.

Bleibt nur eine Frage: Wann ist es denn mal gut? Denn, ehrlich gesagt, haben wahrscheinlich selbst die ehrgei- zigsten Musterschüler*innen irgendwann mal genug und einfach keine Lust, sich ständig weiterzubilden. Doch
das Lebenslange Lernen ist ja per Definition schon end- los. Niemand kann jemals alles gelernt haben, wissen und können. Es ist ein Fass ohne Boden. Ein Umstand, der an dem Konzept häufig kritisiert wird, aber gleichzeitig ganz hervorragend in unsere Zeit passt, in der Selbstoptimierung eine Art Lifestyle ist und man uns von allen Seiten klarmachen will: Da ist noch Luft nach oben! Besonders für alle, die in ihrer Freizeit Lust auf neuen Input haben, sollte aber stattdessen gelten: Alles kann, nichts muss.

Alles kann, nichts muss.

Am besten konzentriert man sich dann auf die individu- ellen Interessen und auf Themen und Inhalte, die explizit nichts mit dem Job zu tun haben. Die eine zieht es viel- leicht raus in die Natur, der andere beschäftigt sich lie- ber mit der eigenen Persönlichkeitsentwicklung. Wich- tig ist in jedem Fall, Spaß an der Sache zu haben. Denn nur dann bleiben wir am Ball. Im Übrigen ist auch nicht immer ein mehrmonatiger Kurs nötig, um den eigenen Horizont zu erweitern. Ein Buch, ein gutes Gespräch und eine Reise bilden genauso. Beste Grundvorausset- zungen: Offenheit und eine große Portion Neugier.

Ich überlege unterdessen, ob ich es nicht doch mal mit Japanisch probieren soll. Lust dazu hätte ich – und eine Sprachpartnerin ja auch.

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