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`N Hund im Büro?

Autor
cw_bergmann

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`N Hund im Büro?

Sie heißen Peppi, Tammi, Amina, Faye oder Buddy und begleiten ihre (meist) Frauchen zur Arbeit. Dass die AWO ein Herz für Tiere hat und Vierbeiner vielerorts willkommen heißt, zeigen unsere Beispiele aus Bayern. Fest steht: Bürohunde sind nicht nur gut fürs Betriebsklima, sie können auch bei der Suche nach Fachkräften ein »Leckerli« sein.

Dienstags geht’s zum Dienst.

Das wissen die vier Hunde von Annika Kuhbandner. Denn an diesem Tag bleibt Frau- chen morgens nach dem Gassi gehen nicht im Haus, sondern packt ihre Laptoptasche – ein Zeichen, dass es gleich ins Auto und auf die rund 45-minütige Fahrt zur AWO Unterfranken nach Würzburg geht. Noch arbeitet die Ver- waltungsangestellte größtenteils im Home-Office, doch einmal in der Woche begibt sie sich in die Geschäftsstelle. An ihrer Seite: Peppi, ein rumänischer Straßenmix aus dem Tierheim, sowie drei Chinesische Schopfhunde, wobei die Sozialpädagogin meist nur zwei ins Büro mitnimmt – die jeweils anderen bleiben bei Kuhbandners Eltern. Die sind in Rente und bewohnen ein Landhaus mit großem Garten. Eine Betreuung des Rudels wäre also auch dort gewähr- leistet, aber Annikas Team freut sich über die tierische Abwechslung. »Vorausgesetzt, Hunde haben einen Grund- gehorsam, bringen sie viel Gutes mit in den Job«, findet die seit 2006 bei der AWO tätige Mitarbeiterin. »Sie liegen ja meist im Körbchen, das entspannt. Gleichzeitig sorgen sie zwischendurch für Spaß, lockern den Arbeitsalltag auf und man hat immer ein Gesprächsthema.«

»Von einem Hund profitieren alle. Gerade die nonverbale Kommunikation funktioniert extrem gut, was man zum Beispiel bei Bettlägerigen beobachten kann«
Robert Müller, Leiter des AWO-Seniorenheims Augsburg-Haunstetten

Die Psychologin Dr. Silke Wechsung, die seit vielen Jahren an der Universität Bonn Forschungsprojekte zur Mensch- Hund-Beziehung durchführt, bezeichnet die Tiere als »soziale Katalysatoren«; Menschen kommen durch Hunde in Kontakt, die Vierbeiner können eine Beziehung bereichern. Das bestätigt auch Robert Müller, Leiter des AWO-Seniorenheims Augsburg-Haunstetten. Früher hatte er einen Labrador, regelmäßig nahm er ihn in die Einrichtung mit.

Als seine Mitarbeiterin Lena Baltes im November 2021 von ihrem felligen Nachwuchs erzählte, freute er sich geradezu: ein Labradorwelpe! Das Okay zur Mitnahme kam sofort. »Anders als auf den Wohnbereichen, ist ein Haustier in der Verwaltung kein Problem«, so der Einrichtungsleiter, der die permanente Anwesenheit eines Tieres besser findet als einen Therapiehund, der nur gelegentlich vorbeikommt. Seit Anfang des Jahres ist Buddy, inzwischen zum Teen- ager gereift, fester Teil des AWO Hauses und – nomen est omen – liebgewonnener Kumpel für die Belegschaft wie auch für die Senior*innen.

»Jeden Vormittag holen ihn die Kolleg*innen aus der Pflege mit in den geschützten Raum für Demenzkranke«, erzählt Lena Baltes. »Die Bewohner*in- nen lieben es, mit ihm Ball zu spielen. Buddy sowieso – er ist beschäftigt und legt sich danach ausgepowert auf seine Decke.« Wenn er unter dem Stuhl vor sich hinschlummert, die samtschwarzen Pfoten eingerollt, hat das etwas sehr Beruhigendes.

Der Hund als Wohlfühlkatalysator

Doch obwohl die 25-Jährige mit Tieren aufgewachsen ist, empfand sie die Umstellung mit einem Hund als groß. »Alles Spontane fällt weg, man muss jeden Tag, also auch am Wochenende, früh aufstehen und verbringt viel Zeit mit der Erziehung«, gibt Lena Baltes zu. Ein Leben ohne ihre Fellnase möchte sie sich trotzdem nicht mehr vorstellen, will sich sogar Pfoten tätowieren lassen. »Buddy gibt uns
so viel Liebe und Glück zurück!« Und er sorgt für ausrei- chend Bewegung. Früher wäre Lena nach einem stressigen Tag auf dem Sofa gelandet, jetzt geht’s erst mal an die frische Luft zum Spielen, das macht den Kopf frei. Wissenschaftlich belegt: Tiere tun Körper und Seele gut.
So konnte die Harvard Medical School 2020 nachweisen, dass sich Hundehaltung positiv auf die Gesundheit auswirkt. Untersuchungen zeigen: In Stress-Situationen reagiert das Herz-Kreislaufsystem von Herrchen und Frauchen robuster als das von Nicht-Hundehalter*innen. Außerdem fördert das regelmäßige Gassi gehen die Fitness. Und: Menschen, die ein Tier streicheln, schütten das Wohlfühl- und Bindungshormon Oxytocin aus, während das Stresshormon Cortisol reduziert wird. Davon können dann auch die Kolleg*innen bei der Arbeit profitieren. Kulleraugen und Kuscheln haben einen erfreulichen Effekt, können sogar die Burnout-Gefahr reduzieren.

»Für mehr Hunde im Büro zum Wohle von Menschen, Unter- nehmen und Hunden«

So heißt der Slogan des Bundesverbandes Bürohund e.V. (BVBH). Kein Scherz, diese Organisation gibt es tatsächlich und ist dank der guten Lobbyarbeit von Gründer und Geschäftsführer Markus Beyer nicht nur in den Medien präsent. Zunehmend mehr Firmen schätzen das Know-how des BVBH, der mit Informationen, Forschungs- ergebnissen und konkreten Handlungsempfehlungen aufklärt – und immer wieder als Vermittler zwischen Arbeit- nehmer*innen und Arbeitgeber*innen fungiert. Der Verband bietet sogar die zertifizierte Ausbildung »Integrationsex- pert*in für die Zulassung von Bürohunden in Unternehmen« an. Markus Beyer ist überzeugt: Bürohunde sind nicht nur gut fürs Betriebsklima, sie können bei den neuen Heraus- forderungen des Arbeitslebens ein Teil der Lösung sein und die Unternehmenskultur positiv beeinflussen.

»Während der Pandemie haben sich die Werte in den Köp- fen der Menschen gewandelt. Sie haben sich gefragt, was ist mir wichtig? An oberster Stelle: raus aus dem Hamsterrad«, sagt Beyer. »Viele haben die Zeit genutzt, einen Hund in ihr Leben zu lassen – und gemerkt, wie gut er ihnen tut.« Der Berliner weiß, wovon er spricht, nur, dass seine Sinnkrise lange vor Corona eingesetzt hatte. Als vielbeschäftigter Businessmann entdeckte er eines Tages am Laternenpfahl eine Annonce für Welpen und wurde von jetzt auf gleich Herrchen von Chester, einem Golden Retriever. Aus dem erfolgreichen Unternehmer wurde ein erfolgreicher Hundetrainer – und seit 2014 ehrenamtlicher Vorstand von Bürohund e.V. »Ohne Chester würde es den Verein nicht geben.« Mit ihm kam die Lebensfreude zurück – und die will Beyer auch in Deutschlands Arbeitswelt bringen.

Wie sage ich es meinem Chef?

»Wie sage ich es meinem Chef?« lautet eines seiner Seminare. Aber das Verständnis von Vorgesetzten wächst, inzwischen sind Hunde keine Rarität mehr im Job. Internationale Unter- nehmen wie Google, Amazon und Xing bezeichnen sich als »Dog Company«. Schließlich bietet ein Bürohund in Zeiten von Mitarbeiterbindung Vorzüge in puncto Image. Damit Millenials im Bewerbungsgespräch statt »no« schließlich »wow« sagen, könnte das Angebot, ein Körbchen im Office zu platzieren, ein Köder sein. Der Verband für das Deutsche Hundewesen (VDH) schätzt, dass im Pandemie-Jahr 2020 rund 20 Prozent mehr Pudel, Dackel, Collies & Co. gekauft wurden.

»Tiere begegnen ihrem Gegenüber vorurteilsfrei«

Im Lockdown auf den Hund gekommen ist auch Christina Umann, Mitarbeiterin in der Personalentwicklung bei der AWO Schwaben. Sowohl sie als auch ihr Freund sind mit einem Haustier aufgewachsen, doch weil beide Vollzeit arbeiten und Hunde im Unternehmen ihres Partners verboten sind, war es lange kein Thema. Irgendwann nahm das Paar Kontakt zur örtlichen Tierschutzorganisation auf – und adoptierte Anfang des Jahres Amina aus Bosnien. »Natürlich habe ich zuvor meine Chefin um Erlaubnis gefragt«, sagt die 25-Jährige, die den Mischling meist mit ins Büro nimmt. »Auch meine Kolleg*innen wurden in die Entscheidung einbezogen.« Denn wenn jemand allergisch auf Hundehaare reagiert oder Angst vor Vierbeinern hat, kann das auch das Arbeitsklima belasten. Genauso muss das Wohlbefinden der Hunde sichergestellt sein. Entscheidend ist, dass es genügend Platz und einen eigenen Rückzugsort gibt. Ist das gewährleistet, profitieren auch die Tiere von der Mitnahme ins Büro: Sie sind weniger alleine, genießen die Nähe ihrer Bezugsperson und bekommen von vielen Menschen Zuwendung und Unterhaltung.

»Tiere begegnen ihrem Gegenüber vorurteilsfrei. Die Menschen müssen sich nicht verstellen, der Körperkontakt und das nonverbale Miteinander entspannt«, weiß Renate Brauneck, die auf ihrem Hof mit Hühnern, Enten, Katzen, einer Schildkröte und fünf Hunden lebt – und als Leiterin des Ambulanten Betreuten Wohnens der AWO in Würzburg-Süd Menschen mit psychischen Einschränkungen unterstützt, damit sie wieder Struktur und Normalität in ihr Leben bringen. Manchmal nimmt sie ihre weiße Schäferhündin Faye oder einen ihrer Border Collies mit zu den Klient*innen. Die 58-Jährige ist Teil einer Hundestaffel und kann selbst am besten abschalten, wenn sie mit ihrem Rudel im Wald trainiert. »Da bin ich dann in einer ganz anderen Welt, Sorgen und Probleme sind weit weg.« Oder, wie Markus Beyer vom Bundesverband Bürohund es ausdrückt: »Durch die Augen eines Hundes wird alles zum Abenteuer: ein fliegendes Blatt, ein Vogel auf dem Ast, ein krabbelnder Käfer … Menschen mit Hund sind dauerverliebt – sie hüpfen durchs Leben.«

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